Hamlet

Unreal Estate

Datum
13. Januar 2020 - 16. Februar 2020

Eröffnung: 12. Januar 2020, 14–18 Uhr

Partizipierende
Beschreibung

Unreal Estate beschreibt Potenziale - oder deren Abwesenheit - von Architektur, sowie der physischen
Umgebung formalisierter und gefertigter Art im Sinne von Behausung, Arbeitsräumen, Mobiliar oder
allgemeiner Gebrauchsgegenstände und Besitztümer. Die Werke in dieser Ausstellung berühren vielfältige
Aspekte der Interaktionen und Beziehungen, die wir mit unseren gebauten oder fabrizierten Umgebungen
haben oder entwickeln.
Im Weiteren bauen wir diese Umgebungen nicht nur, sondern werden von ihnen auch beeinflusst. Physika-
lische Bedingungen sind ihnen inhärent, wie beispielsweise der akustische Charakter jedwelches Materials
oder von Gebäudestrukturen. Dieser akustische Charakter, sowie der Wunsch ihn anzupassen oder zu
erweitern, steht stellvertretend für eine Zeit oder die Menschen und Gemeinschaften, welche diese Struk-
turen nutzen.
Mit seiner Arbeit The New New Material zeigt Jan Hofer dies exemplarisch auf; es handelt sich dabei um
ein nacherfundenes Baumaterial, welches auf der vergessenen Rumford Fliese basiert. Diese Fliese war im
frühen 20. Jahrhundert beliebt um die Akustik, zuerst von Kirchen und später von anderen Versammlungs-
orten von Gemeinschaften, von hallend zu klar zu verändern um so angemessene Umgebungen für diskur-
sive Verhältnisse der Gemeinden oder Gruppen unter Einbezug aller Mitglieder zu schaffen.
Mit ihrer Arbeit i hear you, hört Julia Znoj wiederum in die Wände des Gebäudes hinein. In ihrer Instal-
lation decocore planetary (she‘s around every corner), wählt sie eine materielle Begegnung mit dem Zeichnen
von Räumen und der Veränderung von Raumpsychologien durch die gleichzeitige Definition aber auch
Verwischung des Innen und Aussen, des Privaten und des Öffentlichen.
Eine andere Position zur Formalisierung architektonischer Räume durch Wände und Türen nimmt Mat-
thias Liechti mit seiner Skulptur 12 Cinema Chairs for 6-Year-Olds ein. Liechti nutzt gestapelte, nicht exis-
tierende Möbel - wenngleich es so scheint als müssten diese Möbel eigentlich existieren - als Beispiel für
die formalen Aspekte von geometrischen Ornamenten. Die Tatsache, dass sein augenzwinkerndes Objekt,
nicht nur ein formales Argument eröffnet, sondern auch Fragen im Bezug auf die Publika und Nutzenden
von durch konstruierte Räume behaupteten Systematiken eröffnet, ist dabei besonders bemerkenswert.
Jiajia Zhangs Video Untitled (Unreal Estate) sieht sich diese Systematik aus einer anderen Perspektive an.
Das Video führt durch verschiedene Stufen der Intimität mit POV-Material, welches mit einer Handy-
cam aufgenommen wurde. Es dokumentiert diverse Situation von privatem und öffentlichem Leben. Die
zitierten Untertitel entspringen Romanen, Slogans von Unternehmen, aber auch Immobilienwerbungen
und Städtebauforen und erzeugen ein Verständnis für die vielen verschiedenen Kräfte, die hinter sicht-
baren Strukturen stehen. Zhangs Skulpturen, die Citizens R, E, A und L aus der Serie Oops Oops Estate
verweisen auf Fragen zu den Beziehungen zwischen Mensch und Architektur zurück. So rotten sich diese
Unreal Estate
Heidi Bucher, Jan Hofer, Matthias Liechti,
Anita Semadeni, Elza Sile, Jiajia Zhang, Julia Znoj
Empfangsbereich von Kevin Aeschbacher
Vernissage: Sonntag, 12. Januar 2020, 14-18 Uhr
Ausstellung: 13. Januar - 16. Februar 2020
Öffnungszeiten: Samstag, 13-16 Uhr oder nach Vereinbarung
Modell-Hochhäuser in einer Ecke des Ausstellungsraums zusammen. Sie zeigen dabei verschiedene Stufen
des Entstehens und Werdens durch diverse (un)kleidsame Accessoires.
Neben dieser Gruppe von Skulpturen, beschreibt Heidi Buchers Werk Anna Intimität, Nähe und Fürsorge.
Anna ist der Latexabdruck eines Bodens mit einem eingearbeiteten Wischmop. Buchers Arbeit Parkett
zeigt diese Intimität gar noch ausdrücklicher; das Latex fungiert als Schnittstelle zwischen Bucher und ih-
rem Haus, welches sie „Borg“ nannte - das Wort leitete sie vom Begriff „Geborgenheit“ ab. Die Gazebinde
in Parkett, wie der Mop in Anna, ist ein Material, welches mit Fürsorge oder Pflege assoziiert werden kann;
im einen Fall für die Person Anna mit einem Putzgerät für Gebäude, im anderen Fall für einen Teil von
Häusern - den Böden - mit medizinischem Verbandsmaterial. Dies zeigt die Intimität mit welcher Bucher
ihren Umgebungen begegnet.
Intimität scheint eine angemessene Beschreibung der Essenz der Geschichten, die Anita Semadenis Ma-
lereien zeigen. In Erinnerung an den ungewöhnlichen Beruf ihres Vaters als sie ein Kind war als Bakteri-
enzüchter für Joghurt, platziert sie eine Fotografie in einer Perspektivenstudie in wenn mir langweilig ist,
züchte ich Bakterien. Daneben zeigt sie Arbeiten aus der Serie alp plata sura spineo, welche das Ideal eines
kleinen Hauses auf einer Anhöhe mit Baum und Garten heraufbeschwören. Damit zeigt sie, wie Immobili-
en persönliche Utopien beschreiben können.
Das von Semadeni artikulierte Ideal, kann auch als Modell verstanden werden. Elza Sile nutzt die
Reminiszenz an Architekturmodelle als Element in ihren Zeichnungen und Malereien. Ihre, aus den drei
Möbeln Domestic Circle, Key Chain Shelf and Animal Farm: deletion bestehende, Installation fungiert
dabei nicht nur als Behälter für ihre dystopische Idealisierungen, aber auch als Unbequemlichkeits-
moment. Dadurch, dass sie keinen vollständigen Blick auf alle Objekte in ihren Regalen erlaubt, wird
ihre Arbeit besonders entnervend, sind doch Modelle im Allgemeinen dazu gefertigt, einen Überblick zu
verschaffen.
Der Empfangsbereich mit einem von Kevin Aeschbacher gestalteten und gearbeiteten Möbel folgt einer
ähnlichen funktionalen Systematik wie Siles Regale, wenngleich weniger physisch. Das Möbel trennt das
Öffentliche vom Privaten und symbolisiert eine Passage oder Schwelle. Dieses Element präsentiert sich so,
wie ihre Besitzer gerne von der Aussenwelt gesehen werden möchten und verweist auf potenzielle
Konflikte im Bezug auf Kunst, Dekoration, Gebrauchsgegenstände und der Steuerung von Körpern.

  • Clifford E. Bruckmann
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