Hamlet

do ghosts still believe in us?

Datum
27. Januar 2019 - 10. März 2019

Eröffnung: 27. Januar 2019, 14-18 Uhr

Partizipierende
Beschreibung

Was, wenn das Vertrauen in Menschen verloren geht? Wir können noch lange an Geister glauben; wenn Geister nicht an uns glauben, dann hören wir auf zu existieren. So postuliert Martina Mächler ein Potenzial, aber auch ein Oxymoron durch ein Szenario, welches in seiner Logik zwar bestechend scheint, aber gleichzeitig auf der Umkehrung eines Aberglaubens basiert. In ihrer ersten Einzel-ausstellung verwebt Martina Mächler also Fragen nach Potenzialen - eigene, abstrakte, energetische und ökonomische - zu einem parabiografischen Erzähl- und Konversationsenvironment. Die
Ausstellung führt durch symbolische, reimaginierte, sich unterscheidende Szenen. Die Wiederverwendung szenografischer Elemente schafft dennoch eine zusammengehörige Erzählstruktur. Bestehende und bewusste Unsicherheiten innerhalb der Erzählung werden durch die Fragmentierung der Elemente hervorgehoben: quadratische Teppichstücke oder -Flicken; die Räume trennende, metallene Leisten; zusammengesetzte, zwischen Transparenz und Opakheit wechselnde Vorhänge. Diese Elemente verbinden zwar die Erfahrung der Ausstellung, weisen aber dezidiert auf die Brüche in der Erzählung hin, die nicht Martina Mächlers Erzählung sein muss, sondern auch in dieser oder ähnlicher Form diejenige vieler Menschen sein könnte. Wer würde es da den Geistern schon verübeln, würden sie nicht mehr an uns glauben? Die Erzählung führt uns in einem grossen Bogen von der auf einer Partnersuchwebsite gestellten Frage „Do you think one person can significantly change the world?“ zum 97%igen Match der Erzählerin, der nur deshalb
nicht 100% erreicht hat, weil er nicht daran glaubt, dass wir in einer patriarchalisch organisierten Gesellschaft leben. Parallel und mit diesem Bogen verbunden, findet eine Begegnung mit Geschichten statt, die in wiederkehrende Unsicherheiten zum Erzählten führen.
So wird aufgezeigt, wie Fragen des ökonomischen Überlebens und der Fabrikarbeit mit der vermeintlichen Ermächtigung durch liberale Bildungsinstitutionen in Verbindung stehen: welches Klima muss denn gewährleistet sein, damit ein Joghurt zum Joghurt wird? oder: welches Klima muss denn gewährleistet sein, damit eine Studentin zum Diplom kommt? Befreiung, Ermächtigung, Emanzipation wird versprochen - sei es durch die in der Plastikfabrik in der die Erzählerin arbeitet hergestellten und zusammengesetzten portablen Muttermilchpumpen oder die Absorption selbstermächtigender Strategien in und durch die Kunstschule -, aber wie übertragen sie sich tatsächlich in das eigene Selbstverständnis? Die Geister begegnen einem in der Ausstellung also als Figuren der vermeintlichen Erinnerung an Alternativen, an Momente und Szenarien in denen die Potenziale irgendwie klar formuliert waren, der tatsächliche Ausgang der Geschichte aber überhaupt nicht klar ist. Eine beklemmende Diskrepanz zwischen Versprechen von Gerechtigkeit oder einer besseren Welt und der Banalität des Alltäglichen - welches offenbar doch in keiner Weise banal ist - drängt sich wiederholt auf. Ein Video dokumentiert die Suche nach dem Motiv eines idealisierten Sujets von der Website der Plastikfirma
(die mit den Brustpumpen).

Ein idyllisches Landschaftsbild aus einer Naturschutzzone am Zürichsee ist das zentrale Bild auf der Landing Page einer Plastik-firma. Nachdem das Motiv gefunden ist und damit wiederum
Potenziale von Alternativen ergründet werden können, zeigt ein zweites Video die Rückfahrt. Das Boot konnte nicht zu nahe an das Naturschutzgebiet heranfahren, denn Naturschutzgebiete sind auch seeseitig abgesperrt. Es bleibt also nichts anderes übrig, als weiterhin die Szenarien, Momente, Potenziale und daraus entstehenden Alternativen zu beschreiben und auszuloten, die den Geistern den Glauben an uns geben.

  • Clifford E. Bruckmann
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